Die Einführung eines weltweit einheitlichen Berechnungssystems für das Handicap aller Golfspieler klingt im ersten Moment durchaus nachvollziehbar. Blickt man hinter die Kulissen der Umstellung, bleiben momentan noch einige Fragen offen. Eines ist vorweg einmal sicher: Wir werden uns noch länger mit dem Thema „World-Handicap-System“ beschäftigen müssen.
Wir brauchen ein Handicap!
Das Handicap unterscheidet Golf so wohltuend von vielen anderen Sportarten. Die Vorstellung, mit Tiger Woods auf eine Runde zu gehen und sich ein Bier auszuspielen, ist legitim. Das Handicap würde uns dazu auch eine kleine Chance gegen Tiger bieten, das Gösser danach auf seine Kosten zu trinken. Der Autor dieses Berichts hat vor rund 35 Jahren mit dem Golfsport und Handicap –36 begonnen, seitdem haben sich einige Details in der Berechnung geändert.
Das Course Rating wurde eingeführt, bzw. geht es nun bereits bei –54 los. Das Handicap als Basis unseres Spiels ist aber generell geblieben und auch unersetzlich.
Warum wird das WHS eingeführt?
Im Moment gibt es auf der ganzen Welt nicht weniger als sechs verschiedene Handicap-Systeme. CONGU (England, Schottland, Wales, Irland), USGA (Nordamerika), SAGA (Südafrika), Australien, EGA (European Golf Association – Europa) und AAG (Argentinien und Südamerika) berechnen die Spielstärke auf unterschiedliche Art und Weise. Diese zu vereinheitlichen, um auch eine klare Vergleichbarkeit zu schaffen, hat Charme – keine Frage. Ob diese aber auch lebensnotwendig ist, kann man durchaus diskutieren. Ein konkretes Beispiel: Bei internationalen Amateurturnieren können oftmals Spieler mit den besten Handicaps teilnehmen. Bei einer unterschiedlichen Berechnung der Handicaps spielen daher nicht immer die „besten“ Golfer mit. Allerdings wurde in den vergangenen Jahren durch eine Heranziehung der Weltranglisten-Platzierung dieser Fehler bereits „behoben“. Weiters betrifft das nur sehr wenige Spieler – und dafür allein lohnt sich der Aufwand nicht. Ein weiterer Grund für die Vereinheitlichung soll darin liegen, dass im Moment nur rund 10 Prozent der golfspielenden Amerikaner ein USGA Handicap haben. Ob sich die Zahl der Spieler mit der neuen Berechnung ändert? Man weiß es nicht. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, dass es am Anfang auch um Daten und deren Sammlung ging. Diesem Ansinnen haben die nationalen Verbände massiv und erfolgreich die Stirn geboten und es verhindert.
Was bleibt gleich?
Die gute Nachricht vorab: Wir spielen weiterhin Golf. Spaß beiseite, lassen Sie sich durch die neue Form der Berechnung nicht verunsichern. Ein guter Spieler wird auch nach der Änderung ein guter Spieler sein. Und für Akteure über –26,5 gilt: Die neue Berechnung kann Ihr Handicap (Entschuldigung, gemeint ist natürlich Ihr World-Handicap-Index) nur verbessern. Wie auch bisher wird es die bekannten und beliebten Stableford-Turniere geben. Diese Wettspielformen und deren Durchführung obliegen weiterhin den Clubs bzw. den Turnierveranstaltern. Für das Handicap zählen auch weiterhin nur Turniere im Stableford- und Zählwettspielmodus.
ACHTUNG, ein wichtiger Punkt: Bitte unterscheiden Sie zwischen der Turnierform und der im Hintergrund ablaufenden Handicap-Berechnung. Das sind zwei komplett getrennte Bereiche und haben eigentlich nichts miteinander zu tun. Der Einstieg in das System erfolgt auch weiterhin mit 54. Bestehen bleibt auch die Grenze von 26,5 – darüber kann man sich nicht verschlechtern, das Handicap ist eingefroren. Außer, der Spieler möchte es hinaufsetzen.
Was ändert sich? Was ist neu?
Gleich zu Beginn gibt es auch ein paar Begriffe, die sich in unserer neuen WHS-Welt ändern und die Sie sich einprägen sollten.
Vorab registrierte Privatrunde für alle Spieler
Zukünftig können gegen Voranmeldung im Sekretariat und Bezahlung
des Nenngelds registrierte Privatrunden anstelle der EDS-Runden gespielt werden. Diese können über 9- oder 18-Loch gehen und sind für
ALLE Spieler möglich (im alten System nur für Spieler der Vorgabenklassen 2 bis 6).
Aus Plus wird Minus
Die besten Spieler des Landes verfügen seit jeher über ein „+“–Handicap.
Im Prinzip war das auch bisher schon nicht logisch, da unter Null ja
das „Minus“ beginnt, was wir im Winter oftmals am eigenen Körper zu
spüren bekommen. Das wird nun mit der Umstellung angepasst und die
überwiegende Mehrheit darf sich dann über ein „+“–Handicap freuen.
Das „+“ wird aber nicht ausgewiesen.
ÖGV-Karte 2021
Einmalig und auf jeden Fall aufbewahrenswert ist die neue ÖGV-Karte, die eine Reminiszenz an das alte System mit dem Aufdruck des besten Handicaps ist. „Da die Konvertierung in Abstimmung mit den Clubs erst bis Ende Februar erfolgt, drucken wir das beste Handicap der Karriere, das Career Low (seit der Einführung der zentralen Stammgabenverwaltung, Anmerkung) auf die ÖGV-Karten inklusive der entsprechenden Jahreszahl. Das ist in diesem Übergangsjahr nicht anders möglich und soll ein kleines Augenzwinkern bei den Mitgliedern auslösen“, erklärt ÖGV-Generalsekretär Robert Fiegl.
Prinzipiell wurde das Handicap im EGA Systemfortgeschrieben. Das bedeutet, dass man immer von einem Ausgangshandicap losgespielt hat und das gespielte Ergebnis unterschiedliche Auswirkungen hatte:
War man mit seinem Ergebnis im Hcp-Puffer, hat sich das Hcp nicht verändert (Anm.: unter –26,5, darüber war ja keine Verschlechterung möglich), bei zu wenigen Punkten hat es sich verschlechtert (zu wenige Punkte für den Puffer) oder bei 37 Punkten oder mehr hat es sich verbessert.
Im neuen System kommt es nun zu
einer gänzlich anderen Berechnung (Score–Differential):
Es werden immer die besten acht der letzten 20 Handicap-relevanten Runden gewertet, das „Score-Differential“ gezogen und ein Durchschnitt berechnet. Mit jeder neuen relevanten Runde fällt damit die älteste Runde aus der Berechnung. Damit werden die bisherigen Vorgabeklassen und Pufferzonen obsolet und auch die 9-Loch- und Handicap-relevanten Runden für ALLE Spieler möglich. Das neue Stammblatt im WHS beinhaltet die letzten 20 relevanten Runden und diese werden chronologisch angeführt. Die weiteren Ergebnisse bleiben natürlich ersichtlich, werden aber nicht zur Berechnung verwendet. Spannend wird auch der folgende Punkt: Spieler mit identem EGA-Handicap werden nach der Konvertierung möglicherweise einen ganz anderen Handicap-Index haben. Das ist aufgrund der neuen Berechnung durchaus möglich. Was passiert bei der Konvertierung der Handicaps über –26,5? Hier wird in gleicher Weise konvertiert, allerdings werden nur Verbesserungen berücksichtigt. Sollte sich der World-Handicap-Index im Vergleich zum EGA-Handicap verschlechtern, wird diese Verschlechterung NICHT durchgeführt.
Wie groß werden die Abweichungen sein?
Da nun mehr oder weniger ein Durchschnittswert der letzten achtrelevanten Runden genommen wird, kann der neue Handicap-Index sehr wohl um einige Schläge vom alten EGA-Handicap abweichen.
Wie wird das neue Handicap berechnet, wenn es keine 20 relevanten Runden am bisherigen Stammblatt gibt?
Spieler mit weniger als 20 Stammblatteinträgen erhalten ein zusätzliches fiktives Ergebnis, das einem Score-Differential in der Höhe des letzten EGA-Handicaps entspricht. Man nennt das ein Ankerergebnis. Daraus folgt, dass ein Spieler ohne Stammblatteinträge einen WorldHandicap-Index erhält, der genau seinem alten EGA-Handicap entspricht. Für Spieler mit weniger als 20 Einträgen wird der neue WorldHandicap-Index dadurch näher am derzeitigen EGA-Handicap liegen,
hier gibt es sehr genaue Umrechnungsvorgaben.
Wie wirkt sich die neue Berechnung auf mein persönliches Handicap aus?
Hier sind wir auch selbst neugierig, wie sich die Handicaps verändern werden. Dazu muss man wissen, dass viele heimische Golfspieler keine oder nur wenige Handicap-relevante Runden am Stammblatt haben. Der ÖGV schickt den heimischen Clubs im Dezember dazu erste Listen, danach wissen wir mehr. Wir halten Sie diesbezüglich auf
www.greenboard.at auf dem Laufenden.
Hier sind zwei Punkte wichtig: das gewertete Bruttoergebnis und das Score-Differential.
Was ist ein gewertetes Bruttoergebnis?
Spielt ein Spieler auf einem Loch ein sehr schlechtes Ergebnis oder streicht er das Loch, wird ein Netto-Doppelbogey gewertet. Damit geht die zukünftige Handicap-Berechnung von den Stableford-Punkten weg und orientiert sich an
den Schlägen (ein Beispiel: ein Spieler hat auf einem Par-5 einen Schlag vor. Netto wäre sein Par daher eine 6. Würde er auf diesem Loch 10 Schläge brauchen oder das Loch streichen, kommt nun für die World-Handicap-Index-Berechnung
eine 8 in die Wertung).
Was ist ein Score-Differential?
Hier wird es nun mathematisch: Das Score-Differential berechnet sich mit einer eigenen Formel. (Gewertetes Bruttoergebnis – Course Rating) * (113 / Slope) = Score-Differential. Im Stammblatt wird dazu übrigens eine eigene Spalte „SD“ eingeführt.
Wie wird nun mit den Bruttoergebnissen und
dem Score-Differential der World-HandicapIndex und damit Ihr neues Handicap berechnet?
Nun kommen die besten acht Resultate aus den letzten 20 Runden zum Einsatz. Aus diesen Runden wird das jeweilige Score-Differential berechnet. Der Durchschnitt dieser acht Werte ergibt nun den World-Handicap-Index eines jeden Spielers.
Das hängt davon ob, ob das Score-Differential dieser Runde zu den besten acht Runden gehört. Wenn ja, dann ändert sich etwas am Index. Fällt durch diese Runde in der Chronologie eine der acht guten Runden raus, dann ändert sich auch der World-Handicap-Index. In diesem Fall wird nun die nächste „gute“ Runde unter den verbliebenen 20 Runden gewertet.
Für all jene, denen das bisher zu wenig technisch oder schwierig war, kommen noch ein paar weitere Begriffe und Neuerungen dazu. Diese Regeln kommen aber nur bei Spielern zur Anwendung, die zumindest 20 Einträge im Stammblatt aufweisen.
Low Handicap-Index
Wenn ein Spieler eine sehr schlechte Phase hat, soll sich das nur begrenzt auf seinen World-Handicap-Index auswirken. Dazu dient der Low-Handicap-Index. Das ist das beste Handicap, dass der Spieler in den letzten 365 Tagen hatte. An diesem Index orientiert sich in weiterer Folge der Einzug einer Grenze, die eine mögliche Verschlechterung zuerst bremst und dann stoppt.
Soft- und Hard-Cap
Ist ein Spieler auf dem Weg, sich zu verschlechtern, dann kommt zuerst der Soft-Cap ins Spiel. Hat sich der Low-Handicap-Index des Spielers bereits z.B. von 15,0 auf 18,0 verschlechtert, dann wird bei seiner nächsten Verschlechterung nur mehr 50 Prozent davon angerechnet. Wurde sein Low-Handicap-Index in einer Saison bereits um 5 Schläge schlechter, wird der Handicap-Index dort eingefroren. Außergewöhnliche Ergebnisse
Prinzipiell kennen diese Erlebnisse wahrscheinlich alle von uns. Endlich geht die Runde des Lebens auf und man bringt sie ins Clubhaus. Das neue World-Handicap-System wartet schon auf diese Runden. Definiert ist eine derartige Runde mit einem Resultat, bei dem das Score-Differential sieben bis neun Schläge besser als der Handicap-Index ist. In diesem Fall wird nach der neuen Berechnung des World-Handicap-Index dieser nochmals um einen ganzen Schlag reduziert. Bei einem noch besseren Ergebnis sogar um zwei Schläge. Um das zu erreichen, werden alle acht zählenden Score-Differentiale um einen oder zwei Schläge verringert. Das nächste Ergebnis wird dann wieder normal eingetragen.
Penalty Score
Im neuen System kann die Spielleitung – NUR für die Berechnung des Handicap-Index – eine fiktive Runde eintragen. Dieses Ergebnis kann zwischen dem aktuell besten und schlechtesten Score-Differential im Stammblatt liegen. Wollte ein Spieler mit einem No-Return sein Handicap schonen, könnte man zum Beispiel das beste Ergebnis nehmen. Hat er wegen schlechtem Spiel nicht abgegeben, dann nimmt man das schlechteste Ergebnis.
Hier nun ein Stammblatt eines Spielers als Beispiel
Im November wurden die Golfclubs und Spieler über das neue System informiert. Im Zeitraum zwischen Dezember 2020 und Februar 2021 werden den Clubs die neu konvertierten (berechneten) Handicaps der Mitglieder übermittelt, vom jeweiligen Vorgabenausschuss geprüft und am Ende freigegeben. Im Februar/März wird dann das neue WHS-Handicap ins Stammblatt eingetragen.
Welche Vorteile bringt das neue System?
Einer der größten Vorteile besteht darin, dass sich sehr schlechte Runden mitunter gar nie auf das Handicap auswirken. Man könnte entgegnen, dass es bisher auch nur zu einer Verschlechterung von 0,1 pro Turnier gekommen
ist, nun haben sie aber möglicherweise überhaupt keine Auswirkung. Das ist natürlich auch bei Turnieren unter
schlechten Witterungsbedingungen relevant, da dieses Ergebnis nie in die Wertung kommen könnte. Dazu kommt auch, dass das Handicap aktueller ist, wenn der Spieler regelmäßig spielt.
Klarerweise kann man im Moment eigentlich noch keine Schlüsse ziehen oder ein Resümee abgeben. Das System wird sich zuerst einmal in der Praxis beweisen müssen. Dazu muss man auch festhalten, dass es im Moment noch keine Erfahrungen mit der Konvertierung gibt – das wird ein spannender Prozess. Persönlich möchte ich festhalten, dass der Golfsport bereits in der Ausübung genug Schwierigkeiten aufweist und daher jede weitere neue Komplexität, auch außerhalb des Platzes, vor Einführung hinterfragt werden muss. Ansätze des Systems könnten gut passen, z.B. dass schlechte Runden ohne Auswirkung bleiben. In Summe wird die Zeit zeigen, ob das neue Handicap des Golfsports zum Handicap wird.
Wir werden Sie auf www.greenboard.at über alle weiteren Entwicklungen zu diesem Thema informieren.
Bleiben Sie mit uns am Ball!