Können Sie sich noch erinnern, was Sie am 14. April 2010 gemacht haben? Nein, Sie wissen es nicht mehr? Michael Gregoritsch kann sich noch gut an diesen Tag erinnern, er erzielte im Alter von 15 Jahren und 361 Tagen sein erstes Tor in der Österreichischen Fußball-Bundesliga und hält nach wie vor den Rekord als jüngster Torschütze. Im Gespräch blickt der ÖFB-Goalgetter hinter die Kulissen seiner erfolgreichen Karriere, gibt Einblicke auf die bevorstehende Europameisterschaft in Deutschland und erklärt, warum ein Single-Handicap nach dem Karriereende ein Thema ist.
Eigentlich war die Fußballkarriere für Michael Gregoritsch unausweichlich: „Mein Vater Werner (aktuell U-21-Teamchef Österreichs, Anm.) war in seiner aktiven Laufbahn Stürmer und danach ein sehr erfolgreicher Trainer. Bei uns zu Hause gab es daher eigentlich nie ein anderes Thema oder eine andere Berufsidee“, lacht der 30-Jährige, dessen Werdegang gerade zu Beginn stark mit seinem Vater verbunden war. „Ich habe zuerst beim GAK gespielt und bin dann nach Kapfenberg in die Akademie gewechselt. Dort war mein Vater Trainer der Kampfmannschaft und hat mich dann auch in den Kader genommen. In der Liga wurde ich erstmals am besagten 14. April eingewechselt, mit meinem zweiten Ballkontakt habe ich das Tor erzielt und damit hat meine Laufbahn Fahrt aufgenommen“, erklärt der Rekordhalter, der am Vormittag dieses Tages ganz normal die Schulbank gedrückt hat. Seinen Vater sieht Gregoritsch eher als „Freund“, denn als „Trainer“: „Eigentlich haben wir zuerst sehr wenig gemeinsam trainiert, sondern eher als Vater-Sohn-Duo einfach Fußball gespielt“, erzählt der Grazer, der immer noch mit der Rückennummer 11 seines Vaters aufläuft – sollte sie vergeben sein, kann es auch manchmal die „38“ (3+8=11) sein.
Das Abenteuer Deutschland beginnt
Bereits im Sommer 2011 wechselte der Steirer zur TSG Hoffenheim nach Deutschland und wurde nochmals für eine Saison nach Kapfenberg verliehen. Danach folgten Spiele für St. Pauli und Bochum in der zweiten Liga, bevor er 2015 erstmals für den HSV in der deutschen Bundesliga auflief. In den nächsten Jahren machte sich der Linksfuß vor allem als Freistoßschütze und aufgrund seiner Kopfballstärke einen Namen. Auch bei den nächsten Stationen in Augsburg, bei Schalke 04 und dem SC Freiburg lieferte der Steirer. Auffällig dabei: Passte das Verhältnis zum Trainer, dankte es Gregoritsch am Platz mit vielen Toren. „In diesem Bereich haben mich meine Eltern extrem geprägt. Ich brauche das Gefühl, dass ich wertgeschätzt werde, dass der Trainer mit mir spricht und mir vertraut. Das ist auf das gute Verhältnis mit meinem Vater zurückzuführen, mit ihm konnte ich auch über alles reden und das ist mir wichtig. Spüre ich daher diesen Rückhalt und habe ich auch zum Trainer ein väterliches Verhältnis, dann zahle ich es mit Toren und Assists zurück. Ist dieses Verhältnis belastet, dann sind meine Leistungen auch durchwachsener“, erklärt der Grazer. Wie es umgekehrt laufen kann, erlebte Gregoritsch 2019 in Augsburg. „Nach zwei großartigen Jahren hat es nicht mehr gepasst und ich war mehr auf der Ersatzbank als auf dem Platz. Daraufhin habe ich meinen Wechselwunsch artikuliert und wurde suspendiert – im Rückblick war das jene Zeit, die mich am meisten geprägt hat. Diese Erlebnisse haben mich zu dem Spieler und dem Menschen gemacht, der ich jetzt bin“, so Gregoritsch, der sich gerade in der Form seines Lebens fühlt: „Ich habe jetzt die Erfahrung, kenne meine Stärken und spiele vor allem in Mannschaften, die offensiv agieren. Ich muss zwar nun defensiv mehr zurückarbeiten, komme aber bei Freiburg und im österreichischen Nationalteam zu viel mehr Chancen!“
Michael Gregoritsch
„Wenn ich zu meinem Trainer ein väterliches Verhältnis habe und er mir vertraut, zahle ich es mit Toren und Assists zurück.“
Christian Streich und Ralf Rangnick
Zum Glücksfall für Gregoritsch wurden zwei Trainer-Legenden, die dem Stürmer mit viel Vertrauen zu neuem Selbstbewusstsein verholfen haben. „Der Wechsel zum SC Freiburg im Sommer 2022 hat meiner Karriere unendlich gutgetan. Christian Streich ist eine absolute Ausnahmeerscheinung: Er lässt hart trainieren, trifft harte Entscheidungen, aber man weiß immer, woran man ist. In meiner ersten Saison habe ich in Freiburg zehn Tore erzielt und fünf Assists geliefert, in dieser Saison waren es sieben Tore und vor allem fünf Tore in der Europa League“, lautet die starke Bilanz von Gregoritsch.
Mit Ralf Rangnick stellte sich bei Michael Gregoritsch auch ein steiler Aufschwung in der Nationalteamkarriere ein: „Parallel zu meinem Wechsel nach Freiburg hat Ralf Rangnick das Nationalteam übernommen und das war auch für mich ein Goldgriff. Rangnick ist dieser väterliche Trainer, der mir und dem ganzen Team das Vertrauen schenkt, das uns besser macht. Seine Bindung zur Mannschaft ist außergewöhnlich und seine Entscheidung, beim Team zu bleiben, zeigt das eindrucksvoll“, so Gregoritsch. „Unserer Mannschaft darf man keine Grenzen setzen, wir können alles erreichen und haben viel vor. Rangnick hat uns dieses Selbstvertrauen eingetrichtert und mittlerweile wissen wir um unsere Stärken“, meint der ÖFB-Stürmer, der im letzten Spiel einen Hattrick gegen die Türkei erzielt hat. „Über lange Zeit war ich im Team eher ein Mitläufer bzw. in der Öffentlichkeit nicht besonders anerkannt. Das hat sich nun geändert und ich freue mich, dass meine Leistung geschätzt wird – das genießen auch meine Freunde und meine Fans, die sich auch vorher über gute Leistungen gefreut haben“, so Gregoritsch, der nun aber auch einen neuen Rummel um seine Person erlebt: „Ich habe das absolut unterschätzt und meine Bekanntheit hat ein neues Niveau erreicht“, betont Gregoritsch, der sich vor der EM noch ein paar Tage in Norwegen erholen wird.
Michael Gregoritsch
„Ralf Rangnick hat unsere Grenzen außer Kraft gesetzt – uns ist bei der EM alles zuzutrauen!“
Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Leidenschaft für den Golfsport, die Rangnick und Gregoritsch teilen. „Der Teamchef ist auch ein begeisterter Spieler und daher sind wir nun auch an den freien Tagen in den Trainingslagern am Platz. Mit Alexander und Xaver Schlager, Christoph Baumgartner, Maxi Wöber und Konny Laimer gibt es auch weitere Golfspieler im Team – ich führe diese Gruppe aber eindeutig an“, lacht der Handicap-20-Spieler.
Der perfekte Moment für das Karriereende
Obwohl erst 30 Lenze alt, dauert die Profikarriere von Michael Gregoritsch bereits 15 Jahre. Daher gibt es auch einen klaren Plan für die Zukunft. „Im Moment fühle ich mich so erfahren und gut wie nie zuvor. Körperlich bin ich topfit und möchte auf jeden Fall noch ein paar Jahre spielen. Ich möchte aber den perfekten Moment erwischen und dann sagen können, danke für diese großartige Zeit und diese Erlebnisse. Allerdings habe ich auch eines gelernt: Im Fußball kann man nichts vorhersehen und man muss von Tag zu Tag schauen. Es ist einfach nicht möglich, etwas zu planen“, ist sich Gregoritsch bewusst. Ein Ausklingen seiner Karriere beim GAK kann er sich nur schwer vorstellen: „Der Aufstieg in die Bundesliga ist gewaltig und unsere gesamte Familie freut sich darüber. Ich kann mir aber nur schwer vorstellen, nochmals in Graz zu spielen, da dann ein enormer Druck auf mir lasten würde, und das wäre für meine Lebensqualität nicht gut. Ich kann mir aber definitiv gut vorstellen, nach meiner Karriere den Lebensmittelpunkt wieder in den Osten Österreichs zu verlegen, das wird mit großer Wahrscheinlichkeit passieren“, lacht der heimatverbundene Stürmer.
Michael Gregoritsch
„Nach einem schlechten Schlag darf kein dummer Schlag folgen – dieses Motto versuche ich zu verinnerlichen.“
Golf als idealer Ausgleichssport
Den ersten „Kontakt“ mit dem Golfsport gab es im Jahr 2015. „Golf hat mich von Anfang an extrem fasziniert und mitgenommen. Ich kann am Golfplatz so genial abschalten, das gelingt mir sonst eigentlich nur schwer. Im Beruf bin ich durchgehend unter Druck und im Stress – am Golfplatz fällt das alles ab und ich ärgere mich auch nicht. Auf der anderen Seite gefällt mir, dass man gegen sich selbst spielt und ganz allein für das Ergebnis verantwortlich ist. Unglaublich sind auch die Facetten dieses Spiels: Einmal geht das Putten gut, aber ich komme vom Tee nicht weg und am nächsten Tag ist es genau umgekehrt – warum auch immer“, lacht der Golf-Junkie, der auch schon ein Motto verinnerlicht hat: „Nach einem schlechten Schlag versuche ich, dass kein dummer Schlag folgt – das hat mir schon viel geholfen.“ In Freiburg hat Gregoritsch, der mindestens einmal in der Woche auf die Runde geht, auch in Sachen Golf neue Freunde gefunden: „Meine beiden Spielpartner haben Handicap 0 und Handicap 3, da muss ich mich schon strecken, dass ich mit den Jungs mitkomme. Es macht richtig Spaß und auf der Runde wird nicht viel über Fußball geredet, das ist perfekt.“ Dazu ist Golf im Hause Gregoritsch auch zum „Familiensport“ geworden: „Meine Mama hat den Papa absolut im Griff am Platz, manchmal spielen auch mein Bruder Matthias und ich mit.“
Michael Gregoritsch
„Unter 80 Meter zur Fahne ist mein Vater ein richtiger Zocker, da ist er unglaublich stark“
Das ist unglaublich hochwertige Zeit, die wir da miteinander verbringen“, freut sich Gregoritsch auf die nächste Runde mit der Familie. Im Gegensatz zum Fußballsport sind die Ziele im Golfsport klar skizziert: „Nach dem Karriereende steht einmal ein Jahr Golf als Hauptbeschäftigung am Programm, und da ist dann das Single-Handicap das Ziel“, sagt der Grazer zum Abschluss mit einem Augenzwinkern.
Michael Gregoritsch
Geboren am: 18. April 1994 in Graz
Beruf: Fußballprofi
Verein: SC Freiburg
Bisherige Stationen: GAK, Kapfenberg, TSG Hoffenheim, FC St. Pauli, VfL Bochum, Hamburger Sportverein, FC Augsburg, FC Schalke 04 und SC Freiburg
Deutsche Bundesliga: 250 Spiele / 57 Tore
ÖFB-Nationalteam: 53 Spiele / 15 Tore
Golf-Handicap: 20,5
Traumflight: Tiger Woods, Barack Obama und Tom Brady.
Heimatclub: GC 2000