Lend – der Grazer Bezirk hat sich in den letzten Jahren vom verruchten Rotlichtviertel zum aufstrebenden Ort für kreative Geister gewandelt. Etwas versteckt hinter dem Billardcafe Immervoll und dem ppc treffen wir Dietmar Muchitsch im Lendloft, einem 500 Quadratmeter großen Büro, Coworking und Eventspace mit Ausblick auf den Grazer Schlossberg. Muchitsch hat hier mit seinen Mitarbeitern der Agentur wolke blau eine besondere Heimat gefunden. Wir sprechen mit dem Golf-Enthusiasten über die Welt der sozialen Netzwerke und warum KI im Marketing für Unternehmen eine großartige Chance darstellt.
GreenBoard: Dietmar, Kompliment zu diesem Büro – kein Wunder, dass man hier Raum für gute Ideen hat.
Muchitsch: Vielen Dank, das lassen wir gerne so im Raum stehen. Ich wollte dem Team nach der mühsamen Phase des Homeoffice in der Coronazeit etwas Besonderes bieten – das war einer der Gründe für den Umzug ins Lendloft.
Zurück zu Deiner Person. Hat sich Dein Weg als Chef einer Agentur mit Schwerpunkt Marketing, Social Media und Künstliche Intelligenz schon immer abgezeichnet?
Natürlich (lacht)! Nein, ganz und gar nicht. Mich hat Technik zwar interessiert und daher war der Weg mit HTL und bis zum Ingenieurstitel vorgezeichnet. Das war für mich aber eher mühsam und ich habe schon vor der Matura außerordentlich mit dem Studium der Psychologie und Philosophie angefangen. In dieser Phase wollte ich einen anderen Weg einschlagen, die Geburt meines ersten Sohnes hat diesen Plan aber durchkreuzt. Ich bin dann sehr früh (mit 25) Papa geworden und damit hieß es erst einmal Geld verdienen und einen Job suchen.
Was hast Du dann gemacht?
Ich war dann zu Beginn der 90er-Jahre in einem Beschriftungsunternehmen tätig und habe dort mit Netzwerktechnologie gestartet, das heißt, wir haben ein LAN-Netzwerk aufgebaut und erste DOS- und Windows-Computer miteinander verknüpft – das war zu dieser Zeit sehr spannend und ganz neu. Generell muss ich schon hier anmerken, dass sich in meinem Berufsleben alles eher durch Zufall ergeben hat. Ich halte das auch für Mumpitz, wenn man behauptet, dass man schon als Kind wusste, was man einmal werden möchte.
Bist du dann noch in der Technik geblieben?
Nein, ich habe das Zivildienstjahr absolviert und bin danach ich in einen Fachverlag gewechselt. Zuerst war ich dort Chef vom Dienst für zwei Magazine beim Kompetenz Verlag (Firmenwagen und Bauwirtschaft) und bin dann eher zufällig ins Marketing gerutscht und dort vier Jahre geblieben. Danach kam wahrscheinlich meine wichtigste berufliche Erfahrung: Ich habe mit dem Verlagseigentümer ein Call Center gegründet. Wir haben einerseits Abos verkauft, andererseits auch Umfragen gemacht. Nach sieben Jahren sind wir dann leider in den Konkurs geschlittert und das war ein sehr schwieriger Prozess für mich. Zuerst haben wir intern mit den 15 Mitarbeitern gesprochen, welche Mitarbeiter wir abbauen könnten, um den Betrieb zu retten. Am Tag danach wurde dann einen Betriebsrat gegründet und genau jene Mitarbeiter zu Betriebsräten ernannt, die wir kündigen wollten – damit war es vorbei. Ich habe wirklich mein Lehrgeld gezahlt und gemerkt, dass ein Unternehmen gründen und auf Dauer abzusichern zwei sehr unterschiedliche Dinge sind. Zu alledem ist dann auch Leon, Sohn Nr. 2, auf die Welt gekommen und ich hab mich mit Schulden und ohne Job in meinem Kellerbüro zuhause wiedergefunden. Ehrlicherweise wusste ich in diesem Moment noch nicht, wie es weitergehen sollte.
Was war dann Dein Ausweg aus dieser Situation?
Irgendwie habe ich mich innerhalb einer Woche dazu entscheiden, dass Social Media Marketing nun meine Zukunft wird. Das war im Jahr 2009. Damals gab es nur private Profile auf Facebook, aber noch keine Facebook-Seiten für Unternehmen. Ich habe diese Materie als sehr spannend empfunden und es war wieder in besagtem Keller, dass ich innerhalb weniger Tage einen Blog zum Thema Social Media Marketing für Unternehmen gestartet habe. Drei Monate später wurde ich von einem Headhunter kontaktiert und von einer Agentur beauftragt, um Firmen wie Mastercard und Danone im Social Media Marketing zu beraten. Damals habe ich das mit meiner Firma Cloud Thinkn e.U. gemacht, daraus wurde später dann die wolke blau GmbH, meine jetzige Agentur.
Warst du am Anfang ein Einzelkämpfer oder schon mit einem Team unterwegs?
Ich habe bereits damals, 2009, mit einem Remote-Team gearbeitet. Meine Mitarbeiter haben auf Werkvertragsbasis gearbeitet und waren in Deutschland, Belgien und Frankreich beheimatet, aber die Verlässlichkeit hat sehr darunter gelitten. Daraufhin habe ich kurzerhand unser erstes Büro in der Grazer Schmiedgasse eröffnet für rund 6-8 teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter. Innerhalb von zweieinhalb Jahren habe ich einen ersten Mitgesellschafter aus der Grazer Agenturszene gewonnen und wir sind auf 20 angestellte Mitarbeiter gewachsen und in den Science Tower in der Smart City Graz gezogen.
War mit diesem Wachstum auch eine Vergrößerung des Angebots verbunden?
Genau. Wir haben dort dann eigene Departments gegründet und angefangen zu produzieren. Wir haben mit Fotos, Videos und Content-Strategien begonnen. Bieten also seit damals die 360 Grad-Betreuung an. Unsere Qualität ist auf jeden Fall die Ideen- und Strategieentwicklung sowie die dauerhafte Betreuung digitaler Kanäle und als Beispiel sei Gigasport genannt, die wir bereits seit mehr als 10 Jahre begleiten. Außerdem haben wir in Österreich Produkte für das Social Media Advertising mitentwickelt und konzipieren und betreuen seither performante digitale Kampagnen
Kann man eigentlich sagen, dass Dein Leben aus Netzwerken besteht?
Das stimmt absolut – ich würde sagen aus Netzwerken und Kommunizieren. Zuerst habe ich technische LAN Netzwerke installiert, dann der Schwerpunkt mit dem Call Center in der Kommunikation und zur Verbindung von Menschen zueinander und jetzt sind es die sozialen Netzwerke die das Netzwerken und Kommunizieren für unser Kunden vereinen (lacht).
Dazu passt jetzt auch das Thema Künstliche Intelligenz. KI ist für mich mit dem Aufkommen von Social Media Marketing vor 15 Jahren – eine unglaubliche Entwicklung, die auf uns zukommt und unendliche Chancen bietet. War es damals die Möglichkeit, dass ein Unternehmen einen direkten Draht zu ihren Kunden entwickeln, so kann KI jetzt eine Assistenzrolle einnehmen. Damit besteht für Firmen die Chance, ungeliebte, repetitive Arbeiten an „einen günstigen Mitarbeiter“ zu übergeben, sich dafür stärker auf qualitativ hochwertige Aufgaben zu konzentrieren und so die Produktivität erheblich zu steigern.
Mehr Informationen zu KI im Social Media Marketing lesen Sie hier (Teil 2)
Dietmar Muchitsch
- Geboren: 30. Jänner 1970
- Familienstand: verheiratet mit Stella und zwei Söhne Paul und Leon
- Hobbies: Familie, Arbeit und Golf
- Schönster gespielter Platz: Thracian Cliffs (Bulgarien)
- Schönster Platz in Österreich: Thal
- Lieblingsschläger: 7er-Eisen
- Aktuelles Handicap: 22,6
- Faszination Golf: Der Kampf mit mir selbst – lustvolles Scheitern.