Im Zweiten Teil spricht Dietmar Muchitsch (Geschäftsführer Agentur wolke blau) über KI und dem Aufkommen von Social Media Marketing vor 15 Jahren – eine unglaubliche Entwicklung, die auf uns zukommt. Was das wichtigste im Umgang mit Social Media ist und wie Kunden zu Verbündeten werden.
Wie schaut deine Analyse zur Künstlichen Intelligenz aus?
Mir kommt vor, dass nur die Allerwenigsten die Zeit haben sich damit intensiv zu beschäftigen. Ich habe mich im letzten Jahr überwiegend mit dem Thema KI im Marketing befasst und wir können so als Agentur bereits Firmen unterstützen, diese Möglichkeiten einzusetzen und damit erfolgreicher zu sein als der Mitbewerb. Wir bieten dazu auf unserer Website eine Whitepaper-Serie zum Download an, wo man sich Informationen zur Nutzung der KI im Marketing holen kann – zusätzlich kehre ich quasi zu meinen Wurzeln zurück und spreche wöchentlich mit einem namhaften Businesscoach aus Wien, Bernhard Kerres, über Unternehmens- und KI-Themen in unserem Podcast „Folgenreich“. Kurz, das Thema ist heiß, ähnlich wie es Social Media vor 15 Jahren war und es wird unsere Art zu arbeiten komplett verändern.
Eine etwas provokante Frage: Social Media – ist ein Fluch oder Segen?
Gute Frage und eine klare Antwort: beides. Ich darf hier meinen jüngeren Sohn, Leon, als Beispiel anführen. Beruflich bedingt habe ich Leon natürlich sehr früh an diese Medien und die notwendigen Geräte herangeführt. Er hat sehr bald ein iPad bekommen und wir haben ihm dort eine sehr einfache Musik-App installiert. Ergebnis: Leon studiert mit seinen 13 Jahren bereits das siebte Jahr an der Musikuniversität Graz Klavier im Hochbegabtenlehrgang. Das ist jetzt nicht Social Media zu verdanken, aber dem offenen und sinnvollen Umgang mit technischen Geräten wie Tablets. Social Media hat Leon dagegen nicht extrem interessiert – die Generation Z (Jugendliche geboren zwischen 1997 und 2012) sagt ohnehin bereits öfter nein dazu.
Häufig geht nun aber die Angst um, dass durch Fake News die Wahrheit bzw. Tatsachen auf der Strecke bleiben. Was kann man dem entgegensetzen?
Ich habe heute in den Nachrichten von einer Studie gehört, dass die Österreicher wenig Vertrauen in die Wissenschaften und wissenschaftlich fundierte Tatsachen haben. Ein Ergebnis war auch, dass die Angst vor neuen Technologien in Österreich besonders groß ist. Ich sehe das, wie man sich denken kann, etwas anders, vielleicht auch, weil es in den letzten 15 kaum einen Tag gegeben hat, an dem ich mich nicht stundenlang mit den Themen Technologien, Social Media, Marketing und KI beschäftigt habe. Social Media wurde ein Lebensraum für mich. Das ist teilweise auch ein Fluch, weil das zB. auch im Urlaub so ist. Es vergeht wie gesagt kein Tag, an dem ich nicht recherchiere, kommuniziere und veröffentliche. Zum Thema Fakenews und Angst: Der Mensch entwickelt sich weiter, wir bewegen uns mit großer Geschwindigkeit nach vorne und daher müssen wir das anders lösen – nämlich durch Bildung. Verhindern und verbieten, dafür ist es zu spät und an das glaube ich nicht. Auch nicht beim Thema Künstliche Intelligenz. Natürlich machen zwischendurch neue Entwicklungen immer wieder Angst, aber ich gehe eher so damit um, dass ich mir einen Wissensvorsprung verschaffe und den auch an meine Kunden weitergebe. Und das hat sich bis dato für mich und für meine Kinder und für meine Kunden auch voll ausgezahlt.
Fehlt in Österreich und teilweise auch anderen europäischen Ländern nicht eine aufgeklärte Regierung bzw. Öffentlichkeit – die auch mit diesen Entwicklungen zumindest Gleichschritt hält? Beim gedruckten Wort war es noch so, dass jemand dafür verantwortlich gemacht werden konnte, wenn etwas Falsches geschrieben wurde.
Ich kann diese Sichtweise gut verstehen, aber ich bin bisher zu wenig auf den gesellschaftlichen Aspekt von Social Media eingegangen. Das ist auch etwas, was mir Sorge bereitet hat, gerade in der ersten Trump-Ära. Mir hat die Idee immer gefallen, dass man das Leben mehr demokratisiert und die Kommunikation aufmacht. Nicht nur die New York Times und die Washington Post, u.ä. bestimmen, was die Themen des Tages sind, sondern Jedermann kann Themen auf eine gewisse Art und Weise vorgeben. Leider muss man feststellen, dass sich negative Nachrichten stärker verbreiten als positive. Das beruht auf einer menschlichen Eigenschaft und das ist kein Fehler von Social Media. Ich begreife die offene Kommunikation aber trotzdem weiterhin als Chance.
Für Firmen und den Tätigkeitsbereich Deiner Agentur sind die sozialen Netzwerke extrem positiv zu beurteilen. Was ist hier aus Deiner Perspektive wichtig, um erfolgreich zu sein?
Als erstes Argument würde ich einmal als großen Vorteil von Social Media sehen, dass Unternehmen Beziehungen zu ihren Kunden aufbauen können. Da geht’s nicht nur darum, regelmäßig und kostengünstig eine Botschaft zu senden, sondern vor allem um die Pflege der Kommentarbereiche. Dort können Kunden zu Verbündeten werden und das Gefühl bekommen, ein Teil vom Unternehmen oder der Marke zu sein. Das ist ein riesiger Unterschied zur Vergangenheit und z.B. einem Prospekt, der früher von Unternehmen verschickt wurde. Der Kunde kann zu einem Freund oder Follower werden und fühlt sich erst- und wahrgenommen. Ein Riesenvorteil gegenüber dem Mitbewerb, der das nicht macht.
Was glaubst du ist das Wichtigste, wenn sich eine Firma Social Media widmen möchte?
Für mich ist der zentrale Begriff „nutzenstiftender Content“. Sehr oft bewirken wir durch einen Perspektivenwechsel ein Umdenken bei der Contentgestaltung. Nicht die Botschaft zu den eigenen Produkten und Errungenschaften, sondern echtes Interesse an den Wünschen und Herausforderungen der Zielgruppe führt zu Contentideen aus Kunden-Perspektive. Für die interessante und teilweise unterhaltsame Gestaltung dieses Inhalts sind dann Ressourcen notwendig und diese müssen im Unternehmen oder durch eine Agentur abgedeckt und geschaffen werden. Heute gibt es zum Glück ein breites Bewusstsein dafür, dass guter Content Geld kostet. Firmen, die das akzeptieren, werden zukünftig in diesem Bereich erfolgreich sein.
Wie beginnt eure Arbeit mit einem Kunden. Kommt man zu wolke blau mit einer fixen Idee, dass man jetzt etwas im Bereich Social Media machen möchte?
Nein, wir sehen wolke blau als Kommunikationsagentur. Unsere Kunden kommen zu uns mit einem Thema, das sie unter die Leute bringen möchten. Der wichtigste Satz, unser Credo, lautet: ‚Unsere Art von Marketing dient dem Beziehungsaufbau!‘ Dieser Ansatz ist auch langlebig, aber leider glauben viele Unternehmen, dass es nach einer kurzen Kontaktaufnahme mit uns erledigt ist. Das ist unrealistisch – die Umsetzung der Contentstrategie und des Communitymanagements muss im Unternehmen oder durch externe Betreuung Tag für Tag gelebt werden, sonst ist man schnell wieder raus aus dem Feed. Wir haben jetzt aktuell 12 MitarbeiterInnen, die in den unterschiedlichsten Bereichen top ausgebildet sind. Diese Bereiche sind zum Beispiel Strategieentwicklung, Copywriting, Designentwicklung, Kampagnengestaltung und Kampagnenoptimierung, Fotografie, Videogestaltung und Animation uvm. Man benötigt sehr viel aktuelles Wissen, Erfahrung und Zeit, um eine Kampagne erfolgreich zu gestalten und mit dem eingesetzten Budget das Maximum zu erreichen. Leider hat bei Social Media ein wenig das olympische Motto „Dabeisein ist alles“ Einzug gehalten und das führt oft zu keinen erfolgreichen Auftritten oder Kampagnen.
Gibt es für Dich beim Beziehungsaufbau zwischen Firma und Community einen goldenen Tipp?
Ich wiederhole mich, es geht um nutzungsstiftenden Inhalt und den Perspetivenwechsel. Sollte man das als Unternehmen nicht schaffen, kann man auf einen Social Media Auftritt auch gleich verzichten.
Dafür ist wie gesagt auch Manpower notwendig. Damit die Überleitung zur Künstlichen Intelligenz. Kann sie hier unterstützen?
Das ist ein guter Punkt und hier liegt auch unser Ansatz – Künstliche Intelligenz kann Unternehmen wirklich in den Bereichen Ressourcen, Ideengenerierung, Recherche und Produktivität helfen.
Welche Chancen KI Unternehmen bietet, können Sie hier lesen (Teil 3)